"Das barocke Thesenblatt"
I. Vedute ideate
Einleitung: Gregor M. Lechner OSB Katalog: Werner Telesko
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In zweiter Auflage veröffentlicht der venezianische Verleger Domenico Lovisa im Jahr 1720 eine Vedutensammlung zu seiner Heimatstadt. Der erste Teil seiner Serie besteht aus 68 Blättern mit berühmten Ansichten Venedigs und trägt den Titel "Il gran teatro delle piu insegni prospettive di Venezia". Diese Lovisa-Serie, erstmals 1717 aufgelegt, steht in der Tradition der venezianischen "Vedute ideate", die der Stecher Luca Carlevarijs 1703 mit einer höchst erfolgreichen Stichfolge eröffnet hatte.

Die Künstler der "Vedute ideate" versuchen, das wirkliche Bild Venedigs einzufangen, sie wollen an nichts vorbeisehen, und selbst ihre "Staffagen" lassen sich als reale Ereignisse, Volksbräuche, Feste und lokale Stadtviertelfestivitäten verifizieren.

Das "Ideate" strebt nach möglicher Vollständigkeit aller wichtigen Bauten bis in bauliche Details. Dazu arbeiten die Künstler mit der "camera ottica", einer Art Weitwinkelobjektiv, das im Gegensatz zum menschlichen Auge ein breites Blickfeld erschließt und die Plätze, Paläste und Kirchen realiter abbildet. Die Veduten erhalten so dokumentarischen Charakter für die Baugeschichte Venedigs. Oftmals sind die Stiche alleiniges Zeugnis für das frühere Aussehen eines Platzes, eines Palastes oder einer Kirche vor einem tiefgreifenden Umbau oder gar Abriss. Die Folgen umfassen außerdem Ansichten der herausragenden Denkmäler: Dogenpalast, San Marco, Piazzetta, S. Giorgio Maggiore, Santa Maria della Salute, Rialtobrücke und Arsenal. Das Primäre der "Vedute Ideate" liegt in der memorativen Wirkung, in der Dokumentationstreue wichtiger Hauptmonumente Venedigs, die sie zu bemerkenswerten Zeugnissen venezianischer Selbstdarstellung zu Anfang des 18. Jahrhunderts werden lassen.

Im Erscheinungsjahr der Göttweiger Lovisa-Serie 1720 kehrte mit Antonio Canale, genannt Canaletto (1697-1768), der größte venezianische Vedutist aus Rom zurück, um in Venedig sein Atelier zu eröffnen. Sein großer Erfolg von Beginn an markiert eine völlig neue Richtung in der venezianischen Vedutenmalerei. Die "Vedute ideate" mit dem streng bildparallelen Aufbau in rahmengerechter Komposition sind nicht mehr gefragt und weichen den fließenderen und lichtdurchtränkten Capriccios, die unser Bild der venezianischen Vedute geprägt haben.