"Barocke Bilder-Eythelkeit"
Personifikation, Allegorie und Symbol im Spiegel barocker Druckgraphik
Thesenschriften und Thesenblätter
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In der Frühen Neuzeit war es üblich, Doktoratsprüfungen mit einer Disputation, einem vor Publikum geführten gelehrten Streitgespräch abzunehmen. Die mit einem prächtig gestalteten Bildteil ausgestatteten Thesenblätter dienten dazu, Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Disputation öffentlich bekannt zu machen.

In ihrer reich illustrierten Form handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine genuin katholische Praxis. An protestantischen Universitäten blieb es auch während des 17. und 18. Jahrhunderts weiterhin üblich, die Disputation mit einem rein typographisch gestalteten Großfolioplakat mit kleiner Vignette anzukündigen.

Der Druck wurde vermutlich vom Vorsitzenden der jeweiligen Disputation in Auftrag gegeben. Je nach Bekanntheitsgrad des Kandidaten oder seines Patrons und je nach Bedeutung der veranstaltenden Universität wurden die Blätter in einer Auflage von 100 bis 300 Stück produziert. Aufgrund ihrer relativ kleinen Auflage sind viele Blätter nur in einem einzigen oder einigen wenigen Exemplaren erhalten.

Die großformatigen Blätter wurden sowohl an der eigenen als auch an "benachbarten" Universitäten am Schwarzen Brett affichiert. Durch die Vorabpublikation der Thesen sollte Interessierten die Möglichkeit gegeben werden, sich im Voraus auf die Disputation vorzubereiten. Darüber hinaus wurden die Blätter an Mäzene, Angehörige und Freunde sowie an Kloster- und Ordensgemeinschaften versandt, denen der Kandidat nahe stand.

Formal ist das Thesenblatt vor allem durch die enge Verschränkung von Bild und Text charakterisiert. Je nach Disziplin konnten die Motive des formatfüllenden Bildteils aus der Mythologie, Geschichte oder Zeitgeschichte stammen. Bei theologischen Disputationen wurden naturgemäß Themen aus der Kirchengeschichte, Hagiographie oder aus dem Alten und Neuen Testament bevorzugt. Außerdem umfasst der Bildapparat häufig Fürsten-, Bischofs- oder Abtporträts und heraldische oder emblematische Anspielungen auf den Kandidaten oder ihm verbundene Personen und Institutionen.

Während in älteren Thesenblättern der erklärende Text nicht selten über das gesamte Blatt verteilt war, ist er in späteren Exemplaren meist auf die Sockelzone konzentriert. In der Mittelkartusche befand sich in aller Regel die Widmung an den Gönner des Defendenten. Im linken Feld wurden Ort und Datum der Disputation sowie die Namen des Defendenten und des Prüfungsvorsitzenden annonciert. Im rechten Feld schließlich standen die zu verteidigenden Thesen.

Thesenblätter wurden zunächst meist im Folio- (21 x 33 cm) oder Doppelfolioformat (33 x 42 cm) hergestellt. In der Blütezeit der Gattung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen aber auch Exemplare, die aus acht, manchmal sogar aus zwölf Doppelfoliobögen zusammengesetzt sind. Solche Blätter erreichen eine Höhe von mehr als zwei Metern.

Die allegorische Bedeutung des Bildteils lässt sich häufig nur mit Hilfe des erklärenden Textteils entschlüsseln. Allerdings bleibt auch dann der Bildinhalt schwierig zu verstehen, weil die vorausgesetzten religiösen, mythologischen und historischen Kenntnisse in historische Ferne gerückt sind. Zusätzlich erschwert wird die Deutung noch dadurch, dass viele Blätter nur fragmentiert erhalten sind. Aufgrund ihres Überformats wurden Thesenblätter häufig beschnitten, wobei gerne der Textteil abgetrennt wurde. Dies jedoch hat zur Konsequenz, dass sich die vielschichtigen Anspielungen des Bildteils häufig nicht mehr rekonstruieren lassen.

Dominierendes Zentrum der Thesenblattproduktion im deutschsprachigen Raum ist Augsburg, andere Verlagsorte wie Wien, Nürnberg oder Prag spielen nur eine untergeordnete Rolle. Ein beträchtlicher Teil der Augsburger Produktion entfällt auf die Familie Kilian aber auch die Namen anderer namhafter Stecherfamilien finden sich auf den Blättern. Am prestigeträchtigsten sind individuell beauftragte Blätter, die es dem Auftraggeber ermöglichen, detaillierte Vorstellungen zur Motivwahl und -gestaltung zu entwickeln und das Blatt eng auf die zu verteidigenden Thesen abzustimmen. Weniger glamourös, dafür aber auch weniger kostspielig ist der Gebrauch von Blankoformularen. Hierbei handelt es sich um Blätter mit ausgesparten Schriftfeldern, die auf Bildvorlagen bekannter Künstler basierten. Solche Blätter ließen sich in höherer Stückzahl produzieren und damit deutlich preiswerter anbieten. Allerdings hat der Gebrauch von Blankoformularen zur Konsequenz, dass zwischen Motiv und Thesen bestenfalls ein loser Zusammenhang besteht.

Geschichte und Charakteristika der Gattung lassen sich anhand der Sammlungen des Graphischen Kabinetts und der Bibliothek von Stift Göttweig hervorragend studieren. Der Bestand an Thesenblättern und -broschüren reicht vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Exemplare in der Göttweiger Sammlung stammen entweder von Mitgliedern des Stiftes, die bevorzugt an den Universitäten Salzburg und Wien studierten. Zahlreiche Blätter dürften auch als Zusendungen in die Sammlung gelangt sein. So dokumentieren mehrere besonders großformatige und prächtig ausgestattete Schabkunstblätter imperialen Inhalts aller Wahrscheinlichkeit nach die engen Verbindungen Abt Gottfried Bessels (1714 - 1749) zum Kaiserhaus in Wien. Weitere Exemplare kamen vermutlich durch Tausch mit anderen Bibliotheken und Klöstern in die Sammlung. Und auch heute wird die Göttweiger Thesenblattsammlung nach wie vor gezielt durch neue Ankäufe ergänzt.